COSIMA VON BONIN. FEELINGS

COSIMA VON BONIN. FEELINGS, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2024, Foto: Norbert Miguletz

Zurück ins Kinderzimmer

Heute darf ich selbst einmal Gast einer Führung sein: Julia Koep, die langjährige Kollaborateurin der Künstlerin, führt uns durch die aktuelle Ausstellung COSIMA VON BONIN. FEELINGS und stellt die textilen Bilder, Skulpturen und Installationen der Künstlerin vor. Wir betreten die Ausstellung im oberen Stockwerk der SCHIRN Kunsthalle und auf den ersten Blick sieht es so aus, als seien wir in einem Kinderzimmer voller Plüschtiere gelandet. Da ist Daffy Duck aus der Cartoon-Serie Looney Tunes, der in der gesamten Ausstellung immer wieder auftaucht. Dort liegen rosa Schweine-Plüschtiere mit kleinen Rucksäcken auf dem Boden und ein riesiges Plüschküken sitzt auf einer Rakete. Doch die Kuscheltiere wirken nur auf den ersten Blick plüschig, bunt und niedlich. Auf den zweiten Blick, erzählen sie eine andere Geschichte.


Referenz, Erinnerung, Inszenierung

Cosima von Bonin transformiert in ihren Arbeiten das Alltägliche. Sie nutzt zahlreiche Referenzen aus der Populärkultur wie Film, Mode, Musik und Kunst. Kuscheltiere, Comic-Figuren wie Daffy Duck oder Bambi, Installationen aus Büchern und Plüschtieren. Cosima von Bonin stellt verschiedenste Figuren zu einem neuen Ensemble, einer Gemeinschaft, zusammen. Ihre Rauminszenierungen, die zunächst bunt und lustig wirken, wirken bei näherer Betrachtung irritierend. Wie ein Kippbild bewegen sie sich zwischen Humor und düsterer Dunkelheit, Verspieltheit und Dringlichkeit, Fantasie und erschreckender Realität.

Die Künstlerin verfremdet ihre Protagonisten, sie delegiert und eignet sich an. Dabei spielt sie mit unseren Erinnerungen, entnimmt Referenzen aus unserer Kindheit und ordnet sie neu. Dabei geht es ihr immer wieder um Widerspruch, Beziehung und Selbstreflexion.

„Cosima von Bonin inszeniert in ihren Installationen niedliche Erscheinungen, katastrophale Szenen und das lustvolle Scheitern.”

So beschreibt Katharina Dohm, Kuratorin der Ausstellung, die Arbeiten der Künstlerin. Ihre Figuren und Skulpturen verbinden sich zu sozialen Gemeinschaften, die miteinander in den Dialog treten, sich gegenseitig kommentieren und uns in die Irre führen. Als Künstlerin tritt sie hinter ihre Arbeiten zurück. Sie bricht mit der traditionellen Idee vom alleinigen schöpferischen Genius und tut sich stattdessen mit anderen zusammen: ‚Wir sind viele‘. Bewusst zelebriert sie raumgreifend Erschöpfung und Untätigkeit und verbindet damit auch eine subversive Kritik an kapitalistischen Arbeitsvorstellungen und gesellschaftlichen Konventionen sowie am Kunstbetrieb.

COSIMA VON BONIN. FEELINGS, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2024, Foto: Norbert Miguletz

Cosima von Bonin, 2016, 2007/2016, 143 Bücher, 13 DVDs, 1 VHSKasette, Plüschtiere, 150 x 180 x 60 cm, Privatsammlung, Foto © Simon Vogel


Duffy Duck der Antiheld

Cosima von Bonins textile „Soft Sculptures“ lassen Kleines groß, Hartes weich und Süßes bitter werden. Gleich im ersten Raum der Ausstellung zeigt eine Installation ein riesenhaftes kuscheliges Küken auf einer überdimensionierten Rakete sitzend. In Open Your Shirt Please 6 liegt eine Gruppe rosa Schweinchen platt und müde auf einer Platte aus rostfreiem Stahl. Die spielzeugartigen Figuren wirken oft niedlich, bevor sich ein Moment der Irritation einstellt. Das Küken ist in sich zusammengesunken und hat sich auf sich selbst erbrochen, neben den Schweinchen liegen Fetischspielzeuge wie Handschellen.

Als Schlüsselfigur ihres Werks begleitet die Comic-Ente Daffy Duck uns wie ein Leitmotiv durch die Ausstellung. Kennzeichnend für die kampflustige lispelnde Nervensäge Daffy ist ihr egoistischer, geltungssüchtiger und unerschütterlicher Charakter. Obwohl sie immer wieder scheitert, gibt sie sich nie geschlagen, sondern steht auf und macht weiter. In der Serie Open Your Shirt Please kämpft Daffy Duck gegen das mächtige Schwarz, das ihn aus dem Bild zu drängen droht. Unverdrossen erscheint er jedoch immer wieder auf der Bildfläche. In den jüngsten Textilarbeiten wie Kalt Modern Teuer sowie Emporkömmling und Social Climber aus 2023 zeigt sich der Antiheld mit neuem Selbstbewusstsein. Die Skulptur Church of Daffy im letzten Raum der Ausstellung präsentiert ihn schließlich wie einen Propheten mit erhobenen Händen und im karierten Lendenschurz. Doch ist er schon so nah an den Rand seines Podests getreten, dass er zu fallen droht. Daneben steckt in Blame Shifting eine ganze Gruppe von Bugs Bunnys kopfüber in einer Mülltonne.

COSIMA VON BONIN. FEELINGS, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2024, Foto: Norbert Miguletz

Cosima von Bonin, What If It Barks 5 (Petite Version With Blue Ukulele), 2018, Kunststoff, Stoff, Holzsockel, Kette, Gummi, Schal, Ukulele, 107 x 61 x 46 cm, Magasin III Museum for Contemporary Art, Stockholm, Sweden, Foto © Magasin III Museum for Contemporary Art, Stockholm


Welche Themen bearbeitet die Künstlerin?

Immer wieder adressiert die Künstlerin in ihren Bildwelten die Strategien des Kapitalismus und der Vermarktung, die Konsumwelt und das große Bedürfnis der Menschen dazuzugehören. Häufig thematisieren ihre Arbeiten einen Zustand der Müdigkeit und Erschöpfung oder zelebrieren die Untätigkeit und das Faulenzen. Sie bringen damit auch eine Verweigerungshaltung gegenüber neoliberaler Arbeitsmoral und gesellschaftlichen Regeln zum Ausdruck. So entsprechen drei mit Samt überzogene Stoffzäune aus der Serie Fence (Short Version, Long Version, Corner Version) von 2020 nicht den Vorstellungen von einer wehrhaften Abgrenzung, sondern wirken vielmehr weich und anschmiegsam.

Wie die Zäune erscheinen auch drei Leuchtskulpturen in Form von qualmenden Zigaretten unangepasst und signalisieren Rebellion und Müßiggang. Andere Werke der Ausstellung wie eine Gruppe von zwölf leuchtend bunt hochglanzlackierten Raketen aus der Serie Loser begegnen Leistungsdruck und Selbstoptimierungswahn mit glatten, harten Oberflächen, motiviert und aufrecht stehend. Doch verspricht ihr Titel Loser keinen Erfolg.

In der Skulptur Kings of the B sind zwei Raketen bereits erschlafft in einem Zementmischer stecken geblieben. In What If It Barks scheinen zwei Fische im Bühnenoutfit jederzeit bereit, mit ihren Ukulelen ein Lied anzustimmen. Auch hier täuscht der erste Eindruck: Einer der Makrelen hängt das Instrument wie ein Gewicht an einer Kette um den Körper, und das Musizieren bleibt wohl aus. Es ist dieses Wechselspiel der Performativität, der Gefühle, des Scheiterns und des Weitermachens, das Cosima von Bonin in der Ausstellung als dem Soziotop ihrer Kunst kreiert.


Die Ausstellung COSIMA VON BONIN. FEELINGS ist vom 21. März bis 9. Juni 2024 in der SCHIRN Kunsthalle Frankfurt zu sehen. Weitere Informationen zur Ausstellung und zur Künstlerin findest du auf der Webseite.


COSIMA VON BONIN. FEELINGS, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2024, Foto: Norbert Miguletz


 
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