ATELIERBESUCH BEI HENDRIK ZIMMER
Der Künstler Hendrik Zimmer in seinem Frankfurter Atelier, Foto: Hendrik Zimmer
Malerei durch Skulptur
Der Künstler Hendrik Zimmer widmet sich in seiner aktuellen Werkphase der Technik des Holzschnitts, einem alten künstlerischen Verfahren, das er neu interpretiert. Er bringt Formen, Konturen, Farbflächen und geometrische Muster auf die Leinwand. Hendriks Arbeiten sind klare, kraftvolle Bilder. In seinen neuen Arbeiten experimentiert er mit unterschiedlichen Farbdichten, Farbintensitäten und Strukturen und führt das charakteristische Spiel seiner früheren Werke fort.
Hendriks Arbeiten bewegen sich zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, zwischen Bildfläche und Bildtiefe. Sein besonderes Interesse gilt der Materialität der Farbe und dem künstlerischen Schaffensprozess, den er als einen Entwicklung beschreibt, bei dem „ein Gemälde durch Skulptur“ entsteht. „Mich interessiert die Wechselwirkung zwischen Chaos und Ordnung, Kontrolle und Zufall, Formung und Zerstörung. Abladen und Ausgraben sind neben Holzdrucktechniken zentrale Prozesse der Entstehung von Kunstwerken und bilden einen eher skulpturalen Zugang zur Malerei.”
Im März 2024 zeigte er unter diesem Titel neue Gemälde in der Frankfurter Galerie Heike Strelow.
Installationsansicht der Ausstellung Hendrik Zimmer, Malerei durch Skulptur, Foto: Galerie Heike Strelow
Das Atelier in Frankfurts Ostend
Im April 2021 durfte ich den Künstler Hendrik Zimmer in seinem Studio in Frankfurt besuchen. Hendriks Atelier befindet sich in der Ostparkstraße im Frankfurter Ostend, einem Viertel, das sich in den letzten zehn Jahren aufgrund des Umzugs der Europäischen Zentralbank sehr stark verändert hat und dennoch das kreative Zentrum der Stadt geblieben ist.
Atelierhaus in der Ostparkstraße in Frankfurt
Eingang zum Atelierhaus
Vom Bildhauer zum Maler
Hendrik Zimmer ist Absolvent der Städelschule, Meisterstudent von Tobias Rehberger und lebt und arbeitet in seiner Heimatstadt. Während die Mehrheit seiner Kommilitonen nach dem Abschluss nach Berlin zogen, bevorzugt er Frankfurts weniger hektische Atmosphäre, in der er sich auf seine Arbeit konzentrieren kann. Besonders im vergangenen Jahr, als die Hintergrundgeräusche der Stadt noch leiser wurden, konnte er seine Arbeit vertiefen und produktiver sein denn je zuvor.
Mit einer Grundlage in der Bildhauerei, wandte sich Hendrik schnell der abstrakten Malerei zu. Er schafft Collagen und Décollagen. Hendrik beschafft Materialien wie Werbetafeln, direkt von der Straße, sammelt Bücher und Zeitungen mit Themen seines Interesses und bringt die Außenwelt in sein Atelier, wo er sie in großformatige Gemälde verwandelt.
Dabei trägt er zehn bis zwölf Schichten Farbe und Papier auf. Er bedruckt sie mit wiederkehrenden Formen und Symbolen und kratzt diese teilweise erneut ab. Unter diesen Schichten spähen Buchstaben durch die Oberfläche und verwandeln sich, aus dem Zusammenhang gerissen, in Formen und Umrisse.
Hendrik Zimmer in seinem Frankfurter Atelier
Im Vordergrund: Ohne Titel (beim Rugby), 2020, Mischtechnik und Holz auf Leinwand, 190 × 130 cm
“Wenn ich Arbeiten wiedersehe, die ich vor einigen Jahren verkauft habe, fühlt es sich an, als würde ich alte Freunde wieder treffen.”
Obwohl Hendrik im zweidimensionalen Format arbeitet, modelliert er seine Werke. Er reißt und gräbt durch verschiedene Materialien und sucht nach der tieferen Bedeutung des abstrakten Gemäldes und dessen Identität. Dieser sehr persönliche Prozess kann bis zu drei Monate dauern, bis ein Kunstwerk fertiggestellt ist.
Oft gießt er Farbe direkt auf seinen Studioboden und lässt die Leinwand mit der Vorderseite nach unten in der Farbe ruhen. Oder er komprimiert zwei bemalte Leinwände für mehrere Stunden und lässt die Farbe ineinander übergehen, um sie anschließend wieder auseinander zu ziehen. Ein Teil eines Gemäldes wird auf das andere übertragen. Die einzelnen Objekte schweben zwischen Papier- und Farbschichten und versuchen, eine neue Reihenfolge in einem neuen Kontext zu erstellen.
Während dieses Prozesses des Grabens durch verschiedene Schichten bewegt sich seine Arbeit ständig zwischen Absicht und Zufall, zwischen Kontrolle und Chaos.
Hendrik Zimmer vor seinen Arbeiten HABITAT & HOSPITAL, 2018, Mischtechnik und Holzschnitt auf Leinwand, je 400 x 400 cm, Motel OneFrankfurt-Römer, Foto: Galerie Heike Strelow
HABITAT & HOSPITAL
2018 wurde Hendrik für das neue Motel One Frankfurt-Römer angefragt, zwei großformatige Arbeiten in jeweils 4 x 4 Metern für den Lobbybereich anzufertigen. Zusätzlich entwarf er eine Druckedition für jedes der 470 Zimmer des Hotels. Das Thema Buchdruck sollte sich in den Arbeiten widerspiegeln, denn das Hotel Motel One Frankfurt-Römer befindet sich an einem historischen Standort: hier fand 1480 die erste Buchmesse statt.
„Bei der Umsetzung wurde mir völlig freie Hand gelassen. Das Thema „Druck“ ist elementar mit meinem Werk und meiner Arbeitsweise verbunden. Meine Collagen bestehen größtenteils aus Massenware, die ich aus ihrem ursprünglichen Kontext löse und neu zusammensetze.“
Hendriks Collagen „Habitat & Hospital“ aus alten Druckerzeugnissen wie Tageszeitungen, Werbeplakaten und Postern treffen auf eine sehr alte Technik des Holzschnitts und schaffen so ein Zusammenspiel aus abstrakten und bildlichen Elementen. Die Lettern, die hier und da in den Vordergrund treten, bringen den Betrachter auf subtile Weise immer wieder zurück zum Thema Buchdruck.
Ohne Titel, 2018, 110 x 150 cm
Ohne Titel (Der Schneemann), 2018, 150 x 110 cm
Ohne Titel (beim Rugby), 2020, Mischtechnik und Holz auf Leinwand, 190 × 130 cm